Die Systemische Therapie versteht psychische Störungen unter besonderer Berücksichtigung von Beziehungen. Neben der Sicht auf Belastendes stehen die Nutzung eigener Kompetenzen und Fähigkeiten der Patientin oder des Patienten bzw. ihres oder seines Umfeldes im Mittelpunkt. Die Therapie orientiert sich an den Aufträgen und Anliegen der Patientinnen und Patienten. Ziel ist es, symptomfördernde Verhaltensweisen, Interaktionsmuster und Bewertungen umwandeln zu helfen und neue, gesundheitsfördernde Lösungsansätze zu entwickeln. In die Therapie können Lebenspartnerinnen und Lebenspartner oder andere wichtige Bezugspersonen einbezogen werden. Die Systemische Therapie im Mehrpersonensetting, die dann beispielsweise gemeinsam mit der Kernfamilie oder der erweiterten Familie stattfindet, nutzt die Angehörigen als Ressource für die Behandlung und die Veränderung von bedeutsamen Beziehungen und Interaktionen.
(Patient:innen-Information der KVB PTV10)
Was ist Systemische Therapie?
Die Systemische Therapie ist neben Psychoanalyse bzw. Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie und Humanistischer Psychologie die vierte große Richtung oder auch “Schule” der Psychotherapie.
Die Systemische Therapie entstand nach dem 2. Weltkrieg, als es großen Bedarf für effektive Psychotherapie gab. Dabei wurden frühe Ansätze der Familientherapie mit der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus und den Systemtheorien zusammengebracht. Neu am Ansatz der Systemischen Therapie war, dass er Menschen in ihrem sozialen System betrachtet und davon ausgegeht, dass der Mensch und seine soziale Umwelt wechselseitig aufeinander einwirken (Interakton). Der Ausgangspunkt einer psychischen „Störung“ wird dadurch nicht mehr allein in der einzelnen Person, sondern auch im sozialen System gesehen.
Unter einem System versteht die Systemische Therapie also die zum System gehörenden Menschen UND ihre Beziehungen zueinander, also die Beziehungen in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Sportgruppe usw. Die Klient:in wird als Symptomträger:in verstanden, die auf die Problematik im System hinweist. Das Symptom wird als (noch nicht gelungener) Versuch einer Lösung aufgefasst. Insofern ist einer der Ansätze der Systemischen Therapie, gemeinsam mit der Klient:in eine weniger leidvolle Sicht oder Lösung und neue Perspektiven zu entwickeln. Es wird davon ausgegangen, dass sich, wenn sich ein Teil des Systems bewegt, wie bei einem Mobilé alle Teile des Systems verändern (müssen). Auch die Therapeut:in als beobachtende Person ist Teil des Systems, das sich bereits in dem Augenblick verändert, indem sie hinzugezogen wird (Zirkularität).
In der Systemischen Therapie spielen die Ressourcen (Stärken, Wissen, positive Erfahrungen, Kraftquellen) der Klient:in und ihres Systems eine wichtige Rolle, es werden bestehende Ressourcen gestärkt und neue entwickelt.
Systemische Haltung
Die Systemische Therapeut:in achtet in ihrem Vorgehen auf Transparenz, sie ist bescheiden in ihren Einschätzungen und zeigt Respekt gegenüber den Menschen und ihren Erfahrungswelten sowie deren Ressourcen und Lösungsversuchen. Im Mehrpersonensetting, wie z.B. in der Paartherapie oder Familientherapie, gilt die Allparteilichkeit, also eine wertfreie und neutrale Haltung, die ermöglicht, für alle Familienmitglieder gleichermaßen Partei ergreifen können. Eine Rolle spielen auch die Bereitschaft zum Wechsel der eigenen Perspektive und die Offenheit für neue Sicht- und Handlungsweisen – das gilt für die Klient:in als auch die Therapeut:in gleichermaßen.
Systemische Arbeitsweise
Die Haltung in der Systemschen Therapie ist unter anderem gekennzeichnet durch eine klare Orientierung am jeweiligen Therapie-Anliegen der Klient:in, also was die Klient:in in der Therapie erreichen möchte (nicht an den Vorstellungen der Therapeut:in). Aus dem Anliegen entwickeln Therapeut:in und Klient:in gemeinsam einen für beide akzeptablen und realistisch erscheinenden Therapie-Auftrag.
In der Systemischen Therapie kann mit einzelnen Personen, aber auch mit einem oder sogar mehreren im Therapieraum anwesenden „Systemen“ (z.B. Multifamilientherapie) gearbeitet werden. Gelegentlich findet Therapie sogar mit abwesenden(!) Personen statt. So ist davon auszugehen, dass, wenn ein Familienmitglied durch die Unterstützung der Therapie in seinem Verhalten verändert, z.B. klarer eigene Bedürfnisse äußert und Grenzen setzt, die anderen Familienmitglieder ebenfalls mit Veränderungen reagieren.
Methoden in der Systemischen Therapie sind z.B. systemische Fragen, Skalierungen, Genogrammarbeit, Soziogramm, systemische Aufstellungen (z.B. Familienbrett), Timelines, Beobachtungs- und andere Aufgaben, systemische Kommentare, paradoxe Interventionen und Reflecting Team.
(Text überarbeitet aus Meyerhof & Spiegler, 2020)
Zum Weiterlesen
Die DGSF bietet viele Informationen, z.B. die Kurzinfprmation zur Systemsichen Therapie Kurzinfo Systemische Therapie der DGSF